Informationen zu Ängsten und Angststörungen:
Krankheitsangst

Barbara Meier

 

 

  Was sind Krankheitsängste? Start
 

Wenn körperliche Beschwerden und Schmerzen aller Art das Wohlbefinden beeinträchtigen, ist es nur natürlich, dass Betroffene nach Erklärungen für diese Symptome suchen und sich medizinisch abklären lassen. Viele Menschen empfinden das Warten auf Befunde, den Umgang mit widersprüchlichen Analysen oder nicht beantworteten Fragen als Belastung. Bei den meisten Menschen klingen solche mit Krankheit und Schmerz verbundenen Ängste und Befürchtungen nach einiger Zeit wieder ab, vor allem, wenn Behandlungen eingeleitet oder Erklärungen vermittelt werden konnten.
Bei der hier besprochenen Krankheitsangst halten Besorgtheit um die eigene Gesundheit und die Bedeutung, die körperliche Beschwerden erhalten, über den direkten Anlass hinaus lange weiter an. Zentral ist die Sorge, bzw. die Überzeugung, trotz vielfältiger ‚Gegenbelege’ und medizinischer Abklärungen, ernsthaft erkrankt zu sein oder erkranken zu können. Die Krankheitsangst hat zur Folge, dass Betroffene immer mehr unter den Einfluss eines Aufschaukelungsprozesses von körperlichen Symptomen - Angst - körperlichen Beschwerden – noch mehr Angst – noch mehr Symptome und Beschwerden - gelangen. Die Angst um die eigene Gesundheit wird zu einer eigenen Krankheit. Angstvoll wahrgenommene und empfundene körperliche Symptome werden als ‚Beleg’ für das Vorliegen einer Krankheit gewertet, dies treibt die Angst weiter an und bildet einen Teufelskreis. In Fachkreisen wird Krankheitsangst zu den sogenannten Somatoformen Störungen gezählt, d.h. zu jenen Krankheiten, bei denen für Beschwerden keine körperliche, organische Ursache gefunden werden kann (‚somatoform’ = ‚vom Bild her körperlich’).


Panik und Agoraphobie

spezifische Phobien

Soziale Angststörung

Angst vor Krankheit

Generalisierte Angst

    Einige Fakten zu somatoformen Beschwerden  

Es ist nicht genau zu beziffern, wieviele Menschen unter Krankheitsangst im beschriebenen Sinne leiden. Wohl die meisten Menschen kennen aus eigener Erfahrung Beschwerden, die sie zum Arzt führten, der dann feststellt, dass es keinen organischen Grund für die Beschwerden gibt und dass somit auch keine körperliche Krankheit vorliegt. Schätzungen zufolge erfolgt etwa jeder fünfte Arztbesuch in westlichen Ländern aufgrund von somatoformen Beschwerden. Frauen sind etwa doppelt häufig betroffen von somatoformen Beschwerden wie Männer, und Kranheitsängste nehmen mit zunehmendem Lebensalter zu.

 

Wie ensteht Krankheitsangst?

Bei der Entstehung von Krankheitsangst spielen, wie bei andern Angststörungen, verschiedene Faktoren zusammen: allgemeine Ängstlichkeit Betroffener, evtl. besonders erschütternde Lebenserfahrungen und speziell auch Modelle, aus Familie und Kultur, wie man mit Beschwerden umgeht, was Beschwerden bedeuten.
Für das Fortbestehen von Krankheitsängsten ist die Vorstellung wesentlich, was ‚Gesundheit’ bedeutet. Wenn Gesundheit gleichgesetzt wird mit ‚keinerlei körperliche Symptome’, dann wird verständlich, dass auch kleinere Veränderungen des Körpererlebens, aus irgendwelchen Gründen (z.B. Sport, Müdigkeit, Alterserscheinungen etc.) als Signale einer ernsthaften Bedrohung bzw. als erste Zeichen von Krankheit verstanden werden.
Im weiteren hat die dauernde Beschäftigung mit der Krankheitssorge zur Folge, dass Betroffene besonders aufmerksam sind für körperliche Veränderungen, ganz stark auf ihren Körper achten, und somit auch besonders sensibel Veränderungen aller Art wahrnehmen.
Erschwerend kommt hinzu, wie Betroffene sich im Umgang mit ihren Beschwerden verhalten. So unterstreichen z.B. Schonhaltungen die Sonderstellung, die eine Beschwerde hat, und die Betroffenen werden noch sensibilisierter. Auch vielfältige Abklärungen und wiederholte Arztbesuche und auch Arztwechsel, die Betroffene initiieren, sind nicht wirklich hilfeich. Jede medizinische Fachperson, die Ratsuchende aufsuchen, muss ja genannte Beschwerden genauestens abklären. Somit folgen sie zunächst notgedrungen der Hypothese der PatientInnen, es könnte sich um eine körperliche Erkrankung handeln. Die Abklärungsprozesse tragen damit bei, die Annahme aufrecht zu erhalten, es liege doch eine bislang nicht diagnostizierte Krankheit vor. ‚Kein Befund’ als Resultat von Abklärungen tönt dann wie ‚wir wissen nicht, was Sie haben’, kann vielleicht kurzfristig eine gewisse Beruhigung bringen, aber schon die nächsten Körperzeichen lassen dann wieder die Befürchtung wachsen, bis lang ungenügend abgeklärt worden zu sein.


Wie können Krankheitsängste behandelt werden?

Molière hat in seinem berühmten Theaterstück ‚Der eingebildete Kranke’ uns die Hauptfigur als lächerliche, tragischkomische Figur vorgeführt. Menschen mit Krankheitsängsten leiden auch heute noch vielfach unter diesem Stempel, dass sie sich „das alles nur doch einbilden“ und „nicht wirklich etwas haben“. Auch „hypochondrisch“ wird vielfach als Wort benutzt,  um ein Leiden nicht ernst zu nehmen und als nicht ernst zu nehmende Bagatelle abzutun.
In der Behandlung von Krankheitsängsten ist es wesentlich, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass es sich um eine Form von Angst als Störung handelt. Ziel der Behandlung ist es demnach, Betroffenen zu einem anderen Umgang mit ihren Krankheitsbefürchtungen zu verhelfen. In einer Therapie werden problematische Annahmen über Krankheit und Gesundheit bearbeitet; Betroffene lernen, dass veränderte Körperempfindungen verschiedene Ursachen haben können; und PatientInnen werden auch dabei unterstützt, Verhaltensweisen abzulegen, die die Krankheitsängste weiter am Leben behalten, und vielmehr Verhaltensweisen zu fördern, die einen Beitrag zu Gesundheit und persönlichem Wohlbefinden leisten.  Es werden verschiedene Angststörungen unterschieden nach dem Erscheinungsbild der Angstsymptomatik, den zentralen Befürchtungen, die die Betroffenen quälen und nach den Situationen, in welchen Angst auftritt.

 
©B. Meier Zürich 2007 / 2018